oder: So bleibst du stark, wenn das System dich herausfordert –
„Selfcare“, „Mindset“, „Komfortzone“, blablabla… Ich breche hier mal ab und bin gespannt, wer ab diesem Punkt überhaupt noch weiterliest 😉 Diese Begriffe sind allgegenwärtig, werden fast schon inflationär benutzt – und sie scheinen eine einfache Lösung für komplexe, strukturelle Probleme zu bieten. Ein Instagram-Posting dazu von der scharfsinnigen Designerin & Autorin Chris Campe @allthingsletters hat bei mir aber so starken Widerstand ausgelöst, dass ich nicht anders kann, als „meinen Senf“ dazuzugeben. Dies ist der Post:
„Self care, mindset, comfort zone, ‚do what you love‘ – all these phrases are a symptom of late capitalism… Why do people use these words without realising how they help to privatise the responsibility for structural problems?“
Sinngemäß steht dort also, dass diese Begriffe mehr als nur Modewörter sind, denn sie spiegeln die Logik des Kapitalismus wider und wollen die Verantwortung für gesellschaftliche Missstände auf die Einzelne abwälzen.
Scheinbar werden wir als Individuum verantwortlich gemacht für unser Wohlbefinden – in einer Welt, die oft wenig Raum für echte Erholung und Selbstverwirklichung lässt. Gerade im Berufsleben hört man häufig: Überlastung wird als persönliches Defizit behandelt, statt die strukturellen Ursachen anzugehen. Wer ausbrennt, muss sich halt mehr um sich kümmern… Wer finanziell instabil ist, muss sich halt mehr um sein „Mindset“ kümmern…
Der System-Wahnsinn: mehr Yoga, weniger Burnout! Ernsthaft?
Im Bildungssystem, in dem ich tätig bin, wird die Überlastung der Lehrkräfte oft ignoriert. Stattdessen gibt es Ratschläge, wie Yoga oder Meditation zu praktizieren, um mit der Arbeitsbelastung besser umzugehen. Ein Kommentar unter dem Instagram-Post fasst das Dilemma zusammen: „It is easier to change myself than the system.“ Das System profitiert davon, dass Menschen entmutigt werden, aktiv Veränderungen anzustreben.
Kreativität als Rebellion: Warum Handlettering mehr ist als eine „Flucht“
Und doch – hier kommt mein Widerspruch: So berechtigt die Kritik an dieser Überindividualisierung auch ist, Achtsamkeit und kreativer Ausdruck (z.B. durch Handlettering) können tatsächlich helfen, sich bei all den Herausforderungen neu zu fokussieren und neue Kraft zu tanken.
Klar, das Zitat trifft einen wunden Punkt: Viele dieser „Mindset“-Phrasen können echt oberflächlich wirken, als würden nur wir selbst die Schuld an unserer Erschöpfung tragen. Aber das heißt nicht, dass Kreativität (wie bei mir z.B. das Handlettering) und Achtsamkeit nichts taugen! Im Gegenteil!
Gerade in dieser überfordernden Welt brauchen wir doch Räume, in denen wir uns selbst ermächtigen können – und das ist genau das, was Kreativität bietet. Handlettering, so simpel es klingt, ist mehr als ein netter Zeitvertreib. Es ist eine bewusste Praxis, bei der man den Fokus schärft und sich aktiv auf den Moment konzentriert. Selbst im Chaos einen Moment der Klarheit schafft. Und das ist keine „Symptomkosmetik“, sondern das Zurückgewinnen von Kontrolle über unser Leben. Ja, unsere Welt mit alle ihrem Leistungsdruck ist an vielen Stelle kaputt. Aber während wir darauf warten, dass es repariert wird, schaffen wir und mit kreativen Tools unsere kleinen Inseln der Selbstbestimmung.
Coaching und Mindset: Vom Ausweg zur Superkraft
Was wir oft falsch interpretieren: Die Arbeit am eigenen Mindset, z.B. durch Coaching, ist nicht unser Feind. Es geht nicht darum, sich selbst für systemische Probleme verantwortlich zu machen. Vielmehr geht’s doch darum, sich nicht passiv vom Leben überrollen zu lassen. Coaching kann dabei helfen, den Nebel zu lichten und aktiv Entscheidungen für das „beste Leben“ zu treffen. Der Punkt ist: Es verschafft uns den Raum, in dem wir selbst gestalten können – und das hat enormen Wert.
Schon klar – auch der beste „Mindset-Shift“ wird keine kaputten Strukturen fixen. Aber er gibt dir die Klarheit, deinen eigenen Weg darin, in diesem System, zu finden. Und das ist der Unterschied: Selbstermächtigung heißt nicht, dass man das System ignoriert. Es heißt, dass man sich in diesem System trotzdem nicht klein machen lässt. Coaching, Kreativität und Achtsamkeit sind Werkzeuge, um nicht zu resignieren, sondern die eigene Energie sinnvoll zu nutzen.
Der Balance-Akt: Kämpfen und dabei überleben
Klar, irgendwie muss das System verändert werden. Keine Frage. Aber die Wahrheit ist auch: Bis das passiert, müssen wir lernen, uns darin zu behaupten. Sich nur auf „Mindset-Arbeit“ zu verlassen, wäre naiv – aber das Gleiche gilt umgekehrt. Wer sich nur am System abarbeitet, ohne auf sich aufzupassen, geht irgendwann kaputt.
Kreativität und Coaching sind keine „Fluchten“, sondern Coping-Strategien. Wir können das System kritisieren, währen wir gleichzeitig achtsam und kreativ unsere Energie schützen. Der Trick ist, beides im Blick zu haben. Das große Ganze und unser eigenes Wohlbefinden.
In a nutshell
Systemische Probleme brauchen große Lösungen – aber die beginnen oft im Kleinen. Kreativität und Coaching sind nicht „seicht“, sondern ermächtigen uns , unser Leben zu gestalten. Ja, das System muss sich ändern. Aber in der Zwischenzeit dürfen wir uns selbst nicht verlieren.
Oder anders gesagt: Selbst, wenn das System nicht mitspielt, können wir trotzdem unser bestes Leben leben.
Was denkst du darüber? Welche Rolle spielt Selbstermächtigung in einem System, das nicht immer fair ist? Wo setzt du deine Prioritäten – bei dir selbst oder im Kampf gegen die Strukturen? Ich bin gespannt auf deine (kritische?) Meinung hier im Kommentar!
xo, Tina
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